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Vom Wert eines Wertversprechens
Das diesem Blogbeitrag vorangestellte Zitat entstammt einer Werbekampagne, die der Verfasser seinerzeit zusammen mit und für Bernd Kreutz entwickelt hat. Als Texter war er natürlich hocherfreut, dass darin seinen Wortbeiträgen eine besondere Bedeutung für die Imagebildung eines Herrenmodenunternehmens beigemessen wurde. Warum wir es hier nach vielen Jahren zitieren, liegt – hoffentlich – auf der Hand: Es ist ebenso zeitlos wie absenderübergreifend gültig – Stichwort „Kundenzentrierung“.
Denn gelungene Kommunikation ist recht eigentlich nichts anderes als ein möglichst unvergesslicher, weil relevanter Dialog zwischen Menschen und Marken. Und Versprechen, die wir anderen gegenüber abgeben und einhalten, sind sehr emotionale Kommunikationsbotschaften. Insoweit sollte man sie unbedingt auch für kommerzielle Zwecke nutzen! Allerdings ist es hierfür unbedingt angeraten, mit Akribie und Klugheit vorzugehen.
Was also ist zu tun? Zunächst gilt es zu betonen, dass nicht jedes Versprechen ein Wertversprechen ist und nicht jedes Wertversprechen ein relevantes. Erstes Beispiel, so gefunden auf der Unternehmenswebsite eines Weltkonzerns:
“ Mit dem elektrischen Antrieb,
der digitalen Vernetzung und
dem autonomen Fahren
machen wir das Automobil
sauber, leise, intelligent und sicher.“
Ist ein Versprechen, ohne Zweifel. Aber ist es auch ein Wertversprechen?
Zweites Beispiel, gefunden auf der Unternehmenswebsite einer – anderen – Weltmarke.
„Wir beweisen, dass Elektrofahrzeuge keinen Kompromiss bedeuten,
sondern mehr Leistung, Beschleunigung und Fahrspaß als Benziner bieten können.
Bereits heute bauen wir neben Elektrofahrzeugen auch unbegrenzt skalierbare
Stromerzeugungs- und Stromspeicherprodukte. Unser Credo:
Je schneller wir unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen überwinden
und eine emissionsfreie Zukunft verwirklichen, desto besser.“
Nun, das zweite Versprechen ist nicht nur länger ausgefallen. Sondern die Autoren haben sich offensichtlich auch mehr Mühe gegeben, herauszuarbeiten, was ihre Alleinstellungsmerkmale sind und was der Kunde davon hat! „Sauber, leise, intelligent und sicher“ sind heute nämlich auch nahezu alle neueren Verbrenner!
Diese beiden Beispiele aus der Automobilindustrie mögen für den Moment genügen; weitere finden Sie in einem nagelneuen Buch (Kapitel III, 1 und 2), das der Autor dieses Blogbeitrages für und mit seinem Auftraggeber, Georgiy Michailov, geschrieben hat (siehe Abbildung).
Wichtig ist uns an dieser Stelle die Betonung des Kontextes, in dem Wertversprechen entwickelt und formuliert werden sollten:
der strategische Positionierungsprozess eines Unternehmens oder einer Marke.
Leider meinen viele Geschäftsführer und Inhaberinnen immer noch, Strategieentwicklung sei etwas für die Großen (Zahlenspiele, Szenarios, Planungen), während Kommunikation (hierzu gehört ein strategisch gewähltes Wertversprechen) Sache für die Kleinen (Werber, Marketingleute und Personaler) seien. Ein Ergebnis eines solchen Irrglaubens konnten Sie oben lesen: Die Marketingleute des zitierten Weltkonzerns haben diesen zwar mit einem kurzen und knappen, gut zu lesenden „Promise“ versehen, aber leider unter Wert verkauft. Oder, wenn nicht, dann hat das Unternehmen noch sehr viel zu tun, bis seine Produkte und Services genug Substanz für ein veritables Wertversprechen hergeben.
Zurück zu dem Kontext, in dem Unternehmensverantwortliche zusammen mit externen (!) Sparringspartnern ein Wertversprechen als Ausdruck ihrer Unternehmensstrategie (!), nicht nur ihrer Kommunikationsstrategie entwickeln sollten: der Unternehmenspositionierungsprozess. Dieser ist nicht nur relevant für das Marketing, sondern vielmehr für die Ausgestaltung des gesamten Geschäftsmodells eines Unternehmens, also für dessen Wertangebot, die Wertschöpfung, vor allem aber für die Wertabschöpfung! (Zur Vertiefung empfehlen wir unser o.g. und abgebildetes Buch. Zu beziehen über: Amazon | Campus Verlag)
Der Unternehmenspositionierungsprozess ist nicht nur relevant für das Marketing,
sondern vielmehr für die Ausgestaltung des gesamten Geschäftsmodells eines Unternehmens,
also für dessen Wertangebot, die Wertschöpfung, vor allem aber für die Wertabschöpfung und die Wertdisziplin!
Nehmen wir zur Veranschaulichung des Wertpositionierungsprozesses als gelungenes Beispiel einen Medizintechnikhersteller aus Deutschland. Sein Marktfit, also sein aktuelles und perspektivisches Angebotsportfolio, lässt sich so beschreiben:
Marktfit (gemäß Unternehmensstärken und Wertstrategie):
5.000 Produkte für 18 Therapie- und Indikationsfelder zur weltweiten Gesundheitsversorgung. So weit, so deskriptiv. Aber was soll das Besondere daran sein? Die Antwort gibt die Unique Selling Proposition (USP), also das einzigartige Leistungs- und Verkaufsversprechen:
USP (gemäß Kundennutzen):
Einzigartige integrierte Kunden- und Endkundenkompetenz durch: wirkungsvolle Therapien, bedienerfreundliche Produkte und Produktsysteme sowie sichere Abläufe für geringere Risiken, verbesserte Behandlungen und kürzere Klinikaufenthalte.
Blicken wir zur Beurteilung der Güte oder Relevanz von Marktfit und USP auf das „Wertversprechen“, das aus beiden wertschaffenden, vor allem aber positionierungsrelevanten Aspekten abgeleitet wurde:
Wertversprechen (gemäß Stärken und USP):
„Wir schützen und verbessern die Gesundheit von Menschen auf der ganzen Welt, indem wir mit unseren Lösungen die Erwartungen von Systempartnern und Patienten übertreffen.“ Klingt in Verbindung mit den beiden anderen Wertaspekten überzeugend, was meinen Sie?
Bevor Sie antworten, blicken wir noch auf die Positionierung unseres Medizintechnikherstellers, weil sie ja schlussendlich, wenn es sich dabei um eine „Wertpositionierung“ in unserem Sinne handelt, die entscheidende Basis für alle folgenden Wertdimensionen unseres „Wertkreislaufes“ ist.
Wertpositionierung (gemäß Marktfit, USP und Wertversprechen):
„XY ist der medizinische Systemanbieter, der in enger Partnerschaft mit den Kunden die jeweils beste Lösung für Patienten entwickelt. Wir leisten so einen wichtigen Beitrag zum medizinischen Fortschritt.“ Noch mal zum Mitschreiben: a) Systemanbieter, der b) in enger Partnerschaft mit den Kunden (Ärzte, Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen) c) die jeweils beste Lösung für Patienten entwickelt: wirkungsvolle Therapien, bedienerfreundliche Produkte, sichere Abläufe, kürzere Klinikaufenthalte.
Hier wurde offenbar an alles gedacht: die 5.000 Produkte sind nicht Ausweis von Wildwuchs (vergleiche hierzu unseren „Permanenterfinder-Typus“ in Kapitel I, 5 des oben abgebildeten Buchs), sondern gezielter Bestandteil von Produktsystemen für klar definierte Indikationsfelder; die „jeweils beste Lösung“ ist mehr als eine Wünsch-Dir-was-Eigenwahrnehmung, nämlich: das Resultat einer bedarfsorientierten engen Partnerschaft mit den Abnehmern und (für) deren Kunden (hier: Patienten). Dass es sich hierbei um eine wertschaffende Positionierung handelt, erkennt man spätestens an folgendem Dreiklang:
- Fokus auf die Kernkompetenz des Unternehmens („medizintechnischer Systemanbieter“).
- Identifikation der verkaufsrelevanten Leistungsmerkmale (sichergestellt durch enge Systempartnerschaften).
- Kenntnis der profitabilitätsrelevanten Stellschrauben in Leistungserbringung und Angebotsausgestaltung („beste Lösung“ für Patienten, Ärzte, Krankenhäuser).
Das Ganze bedeutet, zugegeben, viel Arbeit. Aber deren Ergebnis macht den margenrelevanten Unterschied.
Reden wir darüber: sparring@ueoe.de.